Die chronischen Krankheiten

Betrachten wir die Behandlung von akuten und subakuten Beschwerden, die erst kürzlich entstanden, als nämlich die meisten der gegenwärtig vorrangigen Beschwerden mehr oder weniger zum gleichen Zeitpunkt auftraten, kann man sagen, dass die Einzigartigkeit dieser akuten Beschwerden offensichtlich ein Abschied vom normalen und üblichen Zustand der Gesundheit ist – und zwar so lange, bis dieser alte Gesundheitszustand durch Überwindung der akuten Krankheitssituation wieder hergestellt ist.

Bei chronischen Erkrankungen jedoch neigen Symptome dazu, in der Vorgeschichte des Patienten zu unterschiedlichen Zeiten aufzutreten und sich mehr oder weniger periodisch zu wiederholen, um dann wieder zu verschwinden.

Auf diese Weise stellen sie ein komplexeres Muster da, das den Versuch, die Symptome dieser chronischen Erkrankung einfach in Form eines Katalogs aufzuaddieren, wie wir es aus der Schulmedizin kennen, schwierig macht.

In solchen Fällen muss sich der Homöopath auch mit dem Lebensstil, dem Beruf, der Familie, den persönlichen Gepflogenheiten, dem Temperament und anderen Eigenschaften seiner Patienten bekannt machen, um folgende Faktoren zu bestimmen:

  1. mögliche Risikofaktoren
  2. Hindernisse bei der Genesung, wie Ernährungsgewohnheiten, Medikamente, Drogen, Gifte, Stressbelastungen usw. und
  3. Besonderheiten und überspannt wirkende Sonderlichkeiten der Persönlichkeit oder des Charakters, die sich so tief eingegraben haben, dass sie zu einem Teil seiner Natur geworden zu sein scheinen und keineswegs mehr „Symptome“ im üblichen Sinne sind. Hierzu ein Beispiel:

Ein Fall von Asthma

Eine  Frau mittleren Alters, die sich äußerst attraktiv gekleidet hatte, berichtete in der Sprechstunde, dass sie schon lange an einer milden Form von Asthma litt, das sich durch die übliche schulmedizinische Standardmedikation durchaus gut beherrschen ließ. Ihr aktuelles Anliegen jedoch war die Behandlung einer Beschwerde, die vor einem Monat aufgetreten war, nachdem sie durch eine lebensbedrohliche Episode ihres Asthma auf die Intensivstation eines Krankenhauses hatte gebracht werden müssen, wo sie im Koma gelegen und mit lebenserhaltenden Maßnahmen hatte versorgt werden müssen. Ihr Zustand hatte sich allmählich über die letzten Jahre hinweg verschlechtert, und dies trotz der Bemühungen eines jungen Spezialisten, der ihr Medikamente zur Erweiterung der Bronchien und inhalierbares Kortison in immer größeren Dosierungen verordnet hatte, ohne dass allerdings diese Maßnahmen hatten verhindern können, dass die Frau dem Tod nur knapp entkommen war.

Die Patientin arbeitete in der Werbebranche und arbeitete gleich für zwei Anzeigenagenturen, und sie führte außerdem nebenbei noch ein freiberufliches Unternehmen. Sie arbeitete leidenschaftlich gern – sie verbrachte manchmal sogar wochenlang achtzehn Stunden täglich ohne Pause an ihrem Zeichenbrett, weil ihr stetig wachsender guter Ruf dies zunehmend erforderte. Doch war dieses Arbeitspensum, das von jedem anderen Menschen wie eine Strafe empfunden würde, keineswegs bloßes Mittel zum Zweck. Die Frau war von ihren Eltern so erzogen worden, dass sie stets die äußersten Grenzen ihrer Fähigkeiten erreichte, und so hatte sie ihr ganzes Leben lang hart gearbeitet und sich selbst zu immer größeren Leistungen angetrieben. Deshalb hatte sie trotz des Einsatzes von Ventolin-Spray von bis zu 20 bis 30 Mal täglich während den letzten Wochen vor ihrer Einlieferung ins Krankenhaus diese Warnung, die sich in der Notwendigkeit des ungewöhnlich häufigen Gebrauchs des Bronchialsprays zeigte, in beispielloser Weise ignoriert.

Weil sie immer noch schwer abhängig von Prednisolon und anderen starken Medikationen war, wurde die homöopathische Behandlung mit Nux vomica C12 begonnen – das täglich von ihr einzunehmen war. Außerdem wurde ihr ein weniger strenger Zeitplan verordnet, der auch ausreichend Schlaf, Entspannung und Freizeit vorsah. Während der nun folgenden sechs Monate ging es der Patientin mit verschiedenen Potenzen dieser homöopathischen Arznei sehr gut.